6000 SCHRITTE MIT THORA
STATION 2: WITTE SLOTT BLANGEN RÖKERKAAT
In dieser Jugenstilvilla verbrachte Thora eine schöne Kindheit.
Daneben ein ärmliches
Fischerhaus.
Arm un riek.
Hör mal, wat Tant van’t Siel
dorto seggt.
Wellkamen, leve Tant!
Nu seil Tant in Vullbraß up de gelen Steen vör use Huusdöör to, un ik dach al, ik harr ehr glückelk habenbinnen, dar bleev se stahn, legg de Hand över de Ogen un plier.
„Häh!“ reep se „wo kunn dien Vadder sik ok man so’n Slott hierhen setten!“ Tant dee, as kreeg se use Huus in dissen Ogenblick dat eerste Mal in Sicht. Darbi stunn dat al, so lang as ik denken kunn, un weer ok nix gröter oder staatscher as anner Hüüs an de Diekstraat.
Woll, just up de Naberschup stunn ja de ole scheve Rökerkaat, wor Zanderbeens mit ehr ölben Kinner in husen deen. Man Tant kunn ja woll nich verlangen sein, dat wi in en Rökerkaat wohnen. Un Habermanns ehr Huus up de anner Stratensiet, dat weer doch noch wat gröter as use.
Liekers steek Tant use Huus in de Ogen. Se japs na Luft un schree: „Kiek di dat an! Sneewitt anmaalt von baben bit unnen as en echtet Slott ut ‚Dusend un een Nacht‘!“
De Farv weer neet, dat weer wahr. Man dat weer ja ok woll nödig na den groten Krieg.
Tant lamenteer wieder: „Half up den Diek, half unnern Diek! Dree Stock in den Heben! Hoffart sowat! Unnen, baben un nochmal baben! Worto? Wicht! Ik frage di: Worto? Köönt ji nich unnen blieven up de Eer?“
Dat wuß ik nich. Ik wuß blots, unnen harr Guste ehr Regeer, mit Köken, Waschköken, Plättstuuv, Spieskamer, Pottkamer, Keller – Kantuffelkeller, Wienkeller…
Willkommen, liebe Tant!
Nun segelte Tant in Vollbrass auf die gelben Steine vor unserer Haustür zu, und ich dachte schon, ich hätte sie endlich im Hafen, da blieb sie stehen, legte die Hand über die Augen und blinzelte.
„Häh!“ rief sie, „wie konnte dein Vater sich wohl so ein Schloss hier hinsetzen!“ Tant tat so, as bekäme sie unser Haus in diesem Augenblick zum ersten Mal zu sehen. Dabei stand das doch da, so lange ich denken konnte, und es war auch nicht größer oder stattlicher als die anderen Häuser an der Deichstraße.
Nun, gleich nebenan stand zwar die alte schiefe Räucherkate (das Fischerhaus), in der Zanderbeens mit ihren elf Kindern hausten. Aber Tant konnte ja nun doch beim besten Willen nicht verlangen, dass wir in einer Räucherkate wohnten. Und Habermanns Haus (die Plassmann-Villa), das war ja doch noch viel größer als unseres.
Gleichwohl stach unser Haus Tant in die Augen. Sie japste nach Luft und schrie: „Kuck dir das an! Schneeweiß angemalt von oben bis unten, wie ein echtes Schloss aus ‚Tausend und eine Nacht‘!“
Die Farbe war neu, das war wahr. Aber das war ja wohl auch nötig gewesen nach dem großen Krieg.
Tant lamentierte weiter: „Halb auf dem Deich, halb drunter! Drei Stock in den Himmel! Hoffart sowas! Unten, oben und noch einmal oben! Wozu? Mädchen, ich frage dich: Wozu? Könnt ihr nich unten auf der Erde bleiben?“
Das wusste ich nicht. Ich wusste bloß, unten führte Guste ihr Regiment, mit Küche, Waschküche, Bügelstube, Speisekammer, Topfkammer, Keller – Kartoffelkeller und Weinkeller …
Und nun geht es weiter zu Station 3, zum ehemaligen Sitz der Reederei von Thoras Großvater A.H.Arnold, der ein Bruder der Tant van´t Siel war. Der Mitteldeichstraße Richtung Westen folgen, die Lindenstraße überqueren und hinter Nr. 13 in den Skipper-Pad einbiegen, der auf die Hafenstraße führt. Dort links ab bis zur Shipchandlery, Hausnummer 9.